Gratuliere, Du hast es geschafft. Während andere sich durch TikTok-Soundbites und Moodboards aus der Hölle quälen, sitzt Du hier – kampferprobt, koffeingestählt, zielsicher im Buzzword-Dschungel. Und während Du auf Netflix den fünften “emotional authentischen” Spot in Folge über eine Zahnbürste siehst, die angeblich Familien zusammenbringt, fragst Du Dich zurecht: Ist das noch Werbung oder schon betreutes Fühlen?
Werbespot oder Mini-Drama mit glutenfreier Message?
Früher: 20 Sekunden, USP auf den Punkt, Abspann, Feierabend. Heute: 90 Sekunden visuelle Lyrik über eine Hundefuttermarke, inszeniert wie ein Cannes-würdiges Indie-Drama. Schnittbilder in Sepia, ein Opa mit feuchtem Blick, ein Cello im Hintergrund. Die Pointe? “Weil Treue nicht nur im Napf beginnt.” Danke, reicht – das war kein Werbespot, das war ein Bewerbungsvideo für die Berlinale.
Die neue Sprache der Spots: Marketing-Sanskrit mit Beipackzettel
Schon mal versucht, die Voiceover-Texte heutiger Spots zu übersetzen? Viel Spaß. “Eine neue Ära der Connectivity beginnt mit Dir – und einem Kühlschrank, der Dich versteht.” Okay, also WLAN mit Kühlfunktion. Aber “verstehen”? Was bitte sagt mir mein Kühlschrank, wenn ich abends um elf Bier und Käse raushole? „Ernsthaft, Klaus?“
Wir sind an dem Punkt, an dem Agenturen “Purpose” mit “Produktvorteil” verwechseln und glauben, eine Deo-Kampagne braucht eine Haltung zur Weltordnung. Nur Mut – vielleicht positionieren wir Shampoo demnächst als Beitrag zur Völkerverständigung.
Streaming-Werbung: Die neue Operettenform für Marken mit Selbstverwirklichungsdrang
Amazon Prime & Netflix stecken ihre Spots zwischen die Serien, als wollten sie sagen: Pause, jetzt kommt was noch Fiktionaleres. Und da ballern sie rein: Großproduktionen über Smoothie-Marken mit mehr Rückblenden als “Dark”. Gefühlvolle Close-ups auf Quinoa, Wind in Zeitlupe, ein Kind, das fragt: “Mama, woher kommt Gesundheit?”
Wir im B2B? Wir schmunzeln, denn unser Alltag ist das Gegenteil von Streaming-Zauberei. Kein Budget für Drohnenflüge oder künstlerische Kornfelder. Aber hey, vielleicht brauchen wir auch einfach nur ein bisschen mehr Cello im Supply Chain-Spot, oder?
Zielgruppenverständnis: Von Menschen, die keine Menschen mehr sind
Die modernen Personas in den Konzepten: Lara, 32, “digital native mit Sinn für Nachhaltigkeit, liebt Mikroabenteuer, trinkt Hafermilch nur bei abnehmendem Mond.” Schön – nur dumm, dass Laras wahre Leidenschaft Steuerberatung ist und sie nach Feierabend TikTok-Hunde anschreit.
Wir müssen reden: Werbekonzepte, die reale Menschen ignorieren, landen am Ende bei Spots, die so wirken, als hätte ein KI-Praktikant auf LSD sie aus Buzzword-Konfetti zusammengebaut. Ja, wir sehen Dich, “Feel-Good-Energy-as-a-Service”-Spot.
Der fade Geschmack der Post-Purpose-Ära
Marken, die sich früher noch was trauten, wirken heute wie Influencer auf Entzug: immer auf der Suche nach dem nächsten “echten” Moment, während sie gleichzeitig ihre Seele an A/B-Testing verkaufen. Die Spots klingen wie ein IKEA-Regal mit Selbstwertproblemen: “Ich bin mehr als ein Produkt, ich bin Teil Deines Lebens.” Wirklich? Dann räum auch den Geschirrspüler aus.
Wir im B2B wissen: Relevanz verkauft, nicht Rührung. Oder wie wir in der alten Schule sagen: “Keine Conversion ohne konkreten Nutzen, verdammt nochmal.”
Fazit: Zwischen Zuckerguss und Zynismus liegt der ROI
Also, Kollege: Wenn der nächste Kunde Dich fragt, warum seine Heizungsmarke keinen Purpose-Film in Cinemascope braucht, dann zeig ihm einen dieser Netflix-Spots. Und dann sag: “Weil Deine Zielgruppe keine philosophierenden Heizkörper will, sondern warme Füße.”
Wir sind Marketer. Wir müssen nicht jedes Trendgewitter mitmachen. Aber wir dürfen drüber lachen – und dann besseres Zeug machen.