Marketing: Mehr als nur hübsche Farben und Hashtags.
Marketing ist nicht das, was man am Rand eines Meetings mal eben „auch noch schnell“ mitmacht. Es ist ein strategisches, wissenschaftlich fundiertes Fachgebiet mit klaren Definitionen und erlernbaren Prinzipien.
Die American Marketing Association beschreibt Marketing als „the activity, set of institutions, and processes for creating, communicating, delivering, and exchanging offerings that have value for customers, clients, partners, and society at large“ (American Marketing Association, 2017: Definition of Marketing. https://www.ama.org/the-definition-of-marketing 2017).
Mit anderen Worten: Marketing ist kein Bauchgefühl, sondern ein komplexes Zusammenspiel aus Psychologie, Marktanalyse, Kommunikation, Vertrieb und verdammt viel Erfahrung. Und doch: Sobald es um Slogans, Kampagnenideen oder Zielgruppenansprache geht, fühlt sich plötzlich jeder in der Chefetage dazu berufen, seine Meinung als „wertvollen Input“ einzubringen – meist leider ungefragt.
Chef, lass es – du bist kein Marketeer.
Natürlich ist es verständlich, dass Vorgesetzte mitreden wollen. Schließlich haben sie den Überblick über das große Ganze, oder? Leider endet dieses „große Ganze“ oft beim eigenen Geschmack oder bei Anekdoten aus dem letzten Italienurlaub („In Rom hab ich eine Werbung gesehen, DAS müssten wir auch machen!“).
Was dann passiert, ist der Klassiker: Ein durchdachtes, auf Zielgruppenanalysen basierendes Konzept wird zerlegt, bis es aussieht wie ein Kompromiss aus fünf Meinungen – aber keinem Ergebnis. Übrig bleibt ein Kommunikations-Monster: weder Fisch noch Fleisch, aber dafür mit dem Lieblingsfarbton des Vorstands.
Wenn gefährliches Halbwissen zur Unternehmensstrategie wird.
Die eigentliche Herausforderung: Marketingfachleute müssen nicht nur gegen Wettbewerber kämpfen – sie führen einen täglichen Kleinkrieg gegen gefährliches internes Halbwissen. Da wird mit Buzzwords um sich geworfen, als wäre der Konferenzraum eine LinkedIn-Karaoke-Bar. „Machen wir’s halt viraler“, „Da fehlt noch ein Call-to-Action“, „Mein Neffe fand das Logo langweilig“ – alles gehört.
Dabei geht es nicht um Meinungen, sondern um Wirksamkeit. Marketing ist keine Demokratie, sondern eine Disziplin mit Regeln. Würde man auch beim Steuerberater reinrufen: „Also ich hätte da noch ’ne kreative Idee für den Jahresabschluss!“?
Expertise ist kein Deko-Accessoire.
Dass Marketing so häufig zur Spielwiese wird, liegt auch daran, dass es scheinbar leicht aussieht. Ein paar Farben, ein bisschen Text, ein Bild – kann doch jeder, oder? Nein. Wer jemals einen Zielgruppen-Funnel entworfen, eine Conversion-Rate optimiert oder eine Customer Journey seziert hat, weiß: Marketing ist Knochenarbeit, Zahlenakrobatik und Kreativität unter Zeitdruck.
Wenn also das nächste Mal ein Konzept auf dem Tisch liegt, das nach drei Wochen Analysen und sechs Iterationen entstanden ist, sollte es nicht durch ein 5-Minuten-Bauchgefühl ersetzt werden. Vertrauen ist kein Akt der Gnade, sondern die Anerkennung von Fachkompetenz.
Marketing ist kein Kuschelzoo.
Der Beruf des Marketers ist oft ein Tanz auf dem Drahtseil: Einerseits strategischer Denker, andererseits diplomatischer Dompteur der Egos über ihm. Zwischen KPI-Druck und Budgetkürzungen sollen wir auch noch mit einem Lächeln ertragen, dass „das Logo größer“ gemacht wird, weil es dem Chef so besser gefällt.
Doch wer gute Marketingarbeit will, muss die Menschen machen lassen, die sich damit auskennen. Keine guten Kampagnen entstehen in Machtspielchen oder durch Eitelkeit – sondern durch Vertrauen, Mut zur Klarheit und der Bereitschaft, Profis Profiarbeit machen zu lassen.
Fazit: Vertrauen ist gut – Kompetenz anerkennen ist besser!
Liebe Kolleginnen und Kollegen im Marketing: Lasst euch nicht entmutigen. Ihr seid keine PowerPoint-Klicker oder Farbberater. Ihr seid Strategen, Storyteller, Daten-Analysten und Problemlöser. Und an alle, die glauben, mitreden zu müssen, weil sie irgendwann mal ein Plakat gesehen haben: Vielleicht lieber den Profis zuhören. Denn was Marketing wirklich braucht, ist keine Meinung – sondern Respekt.